Beirut im Libanon
Anschläge und kriegerische Auseinandersetzungen in Beirut – sie gehören zur Geschichte der libanesischen Hauptstadt ebenso dazu wie die konfessionelle Vielfalt und die Lebensfreude der Bewohner.
Ein Paris des Nahen Ostens in den Sechzigern“, schwärmt die Reiseführerin über Beirut in vergangenen Tagen. Doch die Stadt liegt in einer Region, die von Konflikten und aktuellen Krisenherden gezeichnet ist: im Norden und Westen Syrien, im Süden Israel und Jordanien – ein Pulverfass. Eben dies bekommt der Libanon immer wieder zu spüren: Nicht nur aktuell strömen die Flüchtlinge aus Syrien in die Metropole am Mittelmeer. Der Libanon selbst war und ist immer wieder Schauplatz für bewaffnete Auseinandersetzungen und Attentate.
Während des Bürgerkriegs 1975 bis 1990 wurde Beirut erheblich zerstört – die Frontlinie ging mitten durch die Stadt und teilte diese in einen christlichen Osten und einen muslimischen Westen. Im Sommer 2006 wurden im Krieg mit Israel Stadtteile vor allem im Süden Beiruts beschädigt und viel Infrastruktur zerstört.
In ganz jüngster Geschichte hat Beirut nicht nur eine Gemeinsamkeit mit Paris über das nachgesagte besondere Flair. Die beiden Hauptstädte teilen sich auch traurige Erinnerungen an den 12. November 2015: In Paris und Beirut kam es zu Terroranschlägen. Viele Menschen starben – der Islamische Staat bekannte sich zu den Attacken. Es ist nicht der erste Anschlag in der libanesischen Stadt – es gibt unzählige. Beim Attentat auf den früheren Ministerpräsidenten Rafiq al-Hariri am 14. Februar 2005 kamen neben dem Politiker und Unternehmer weitere 22 Menschen ums Leben. Es gab hunderte Verletzte. Die Spuren des Sprengstoffanschlages sind teilweise noch heute an den umliegenden Gebäuden sichtbar.
Beirut hat sich immer wieder erholt von Konflikten und Krisen – oder aber auch Erdbeben, die vieles zerstörten. „Wir haben viele Probleme, doch wir lächeln nach wie vor, da wir Optimisten sind“, fasst Reiseführerin Nouchka Abdelnour die Gemütslage ihres Volkes zusammen. Letztendlich fließt auch jede Menge Geld in die Restaurierung und den Wiederaufbau: Millionen von Dollar wurden laut Abdelnour investiert. Entsprechend toll sieht beispielsweise die Beiruter Altstadt aus. Doch mit den ausbleibenden Touristen und den Absperrungen des Gebietes rund um das Parlament bleiben die Straßen leer – das Ensemble um den Sternplatz mit Beiruts bekanntestem Wahrzeichen, dem Uhrenturm aus osmanischer Zeit, ist schön anzuschauen – doch kaum einer bekommt es zu Gesicht.
Grund für die Absperrungen sind auch innenpolitische Spannungen. Ob Müllstreik, Proteste der Bevölkerung oder politische Auseinandersetzungen: „Hier wird es nicht langweilig, jeden Tag ist etwas anderes los“, kommentiert eine Frau das tägliche Geschehen, während im Hintergrund der Autokorso einer christlichen Partei mit wehenden Fahnen und lauter Musik über die Straßen rast.
„Beirut heißt Leben“, formuliert ein Interviewpartner die fast schon unwirklich wirkende Atmosphäre in Beirut. Luxushotel neben Ruine, Partymeile neben von Einschusslöchern durchsiebtem Kino – Libanon bedeutet eben auch, den Augenblick zu genießen. „Wer weiß, was in den nächsten Stunden passiert“, lässt sich in den Gesprächen immer wieder heraushören. „Selbst im Krieg haben wir Musik gehört, dabei Nüsse geknabbert, Whiskey getrunken“, wird berichtet. „Nur so überlebt man das“, heißt es als Erklärung, wenn der Gegenüber verwundert schaut. Und so reiht sich im Viertel Gemayzeh Bar an Bar – laute Musik dröhnt aus den offen gestalteten Kneipen, Menschen mit Drinks in den Händen flirten miteinander, reden, tanzen.
„Beirut ist wild schön“, drückt es Hannes Schneider aus, der mit 27 Jahren bereits als Front Office Manager für den Gästekontakt in Beiruts Top-Hotel Phoenicia verantwortlich ist. „Put away our neighbours and we would be happy“, formuliert eine Gesprächspartnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung sehen möchte, ihren Wunschtraum. Sie räumt ein: „Ein Libanese braucht nur gutes Essen, guten Kaffee, gute Gesellschaft, Meer und Sonne – und er ist glücklich.“ All das bekommen Einheimische und Gäste in Beirut reichlich geboten.
Die Menschen und ihre Lebensfreude – das hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Doch der Libanon an sich und Beirut im Speziellen haben weitaus mehr Faszinierendes zu bieten. Beispielsweise Natur und Landschaft: Die „Grottes aux Pignons“, Felsen vor der Küste, sind bei Sonnenuntergang ein beliebter Anlaufpunkt. Nur eine Stunde von Beirut entfernt ist man im Hochgebirge – Skifahren mit Blick auf das Meer ist ganzjährig möglich.
Beispielsweise Archäologie und Architektur: Die Tempelanlagen und die Altstadt von Baalbek sowie eine der ältesten permanent besiedelten Orte der Welt, Byblos, gehören zum Unesco-Weltkulturerbe. Die verschiedenen Perioden in Beiruts Stadtgeschichte lassen sich im archäologischen Museum gut nachvollziehen. Verschiedene Ausgrabungen zeigen sehr eindrücklich unter anderem die byzantinische, ottomanische und romanische Epoche. Tolle Beispiele libanesischer Architektur, die italienische, venezianische und osmanische Einflüsse hat, finden sich im Achrafieh-Bezirk in der historischen Rue Sursock. Dort ist auch das Sursock Kunstmuseum.
Der Libanon – er ist liberal. Ausgehen, aufbrezeln und dabei Alkohol konsumieren – das gehört in Beirut zum täglichen Leben dazu. „Es gibt kaum einen Abend, an dem ich nicht mit Freunden ausgehe“, erzählt die 30 Jahre alte Lara. Sehen und gesehen werden – in Beirut ein wichtiger Fakt. Selbst ein Casino gibt es. Als das „Las Vegas des Nahen Ostens“ wird die Mittelmeer-Metropole auch gerne bezeichnet.
Und dennoch zieht es die Jugend ins Ausland: rund vier Millionen leben im Land, zwölf Millionen Libanesen außerhalb. „Man muss im Ausland gewesen sein, um Karriere zu machen“, resümiert Lara mit Blick auf ihren eigenen beruflichen Werdegang. Sprachlich zumindest gibt es keine Barrieren: Ist die offizielle Amtssprache zwar arabisch, sprechen die meisten Libanesen französisch und englisch.
Das Liberale ist sicherlich auch in der religiösen und kulturellen Unterschiedlichkeit der Bewohner begründet. Beirut ist die konfessionell vielfältigste Stadt des Libanons und des Nahen Ostens überhaupt. Christen (Maronitische, Griechisch-Orthodoxe, Syrisch-Orthodoxe, Syrisch-Katholische, Armenisch-Orthodoxe, Armenisch-Katholische, Römisch-Katholische und Protestanten), Muslime (Sunniten und Schiiten) sowie Drusen leben hier miteinander. Viele Juden haben Beirut seit 1975 verlassen, doch auch sie leben vereinzelt noch im Land. In der Verfassung ist entsprechend festgelegt, welche Position welchen religiösen Hintergrund haben muss. Das klingt im ersten Moment nach einer gerechten Lösung in einem konfessionell vielfältigen Staat – sorgt aber auch mit dafür, dass es seit über zwei Jahren keinen Präsidenten gibt.
Die Vielfalt der Religionen wird am Place de l’Étoile sichtbar, an dem eine griechisch-orthodoxe und eine katholische Kirche stehen, und die Moschee in Sichtweite ist. In der Mohammed-al-Amin-Moschee finden 5000 Menschen einen Platz. In den 2000ern gebaut und mit imposanten Kronleuchtern ist die sunnitische Moschee eine der modernsten in der Region. Eben dieser Platz zeigt eindrücklich, wie spannend das Zusammenspiel der Religionen klappen kann und wie lebensfroh Beirut sich mit all seinen Cafés und Restaurants zeigen könnte.
Praktische Tipps:
Anreise: Direktflüge ab Frankfurt gibt es mit der libanesischen Fluglinie Middle East Airlines Der Flug dauert rund vier Stunden (www.mea.com.lb).
Unterkunft: Das Phoenicia gehört zur Intercontinental Gruppe und ist ein Luxushotel mit 446 Zimmer und Suiten. Das Hotel hat eine lange Geschichte, 2011 feierte es seinen 50. Geburtstag. Es ist zentral gelegen, nur wenige Meter vom modernen Yachthafen entfernt. Es gibt einen SPA- und Fitnessbereich, zwei Pools, Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten. Weitere Infos gibt es im Internet unter www.phoeniciabeirut.com.
Essen und Ausgehen: „La Creperie“ ist ein Restaurant etwas außerhalb von Beirut mit tollem Essen und einem fantastischen Blick. Im Hotel Phoenicia gibt es ebenfalls ausgezeichnete, auch landestypische Speisen. Im Viertel Mar Mekhayel locken zahlreiche Bars mit Musik.
Weitere Informationen im Internet unter www.tourismlebanon.com und www.libanon-info.de.
Der Text ist am 23.01.2016 im SonntagsEcho der Echo Zeitungen sowie auf www.echo-online.de erschienen.