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In Ecuadors Regenwald Oriente

Heimat indigener Völker, eine waschechte Regenwald-Dusche, einschlafen bei nächtlichen Dschungel-Geräuschen, viel grün und skurrile Gewächse und Tiere – unser Aufenthalt im Dschungel Ecuadors wird uns sicherlich noch lange im Gedächtnis bleiben.

Von Banos fährt der Bus nach Tena – das Tor zum Regenwald. Schon am Vorabend kaufen wir uns das Ticket (11 U$ für zwei Personen) und bekommen eine Platzreservierung. Nach einem gemütlichen Spaziergang durch Banos inklusive Besuch bei der Schutzherrin Nuestra Señora del Rosario de Agua Santa unterhalb eines Wasserfalles und Pasta im Ristorante Pappardelle (der Küchenchef lernte in Italien sein Handwerk) packen wir unsere Sachen für den Ausflug in den Regenwald. Da wir wieder nach Banos zurückkommen, können wir den Großteil unseres Gepäcks in dem Wallfahrtsort lassen.

Am nächsten Morgen am Busterminal hat der Bus natürlich Verspätung. Die Frau des Busunternehmens telefoniert immer mal wieder, fragt nach, wo er denn sei, bevor sie sich erneut in die Rufe ihrer Mit-Konkurrentinen einreiht und die Ziele der nächsten Busse laut trällert. Dem Spektakel folgen wir ein wenig, bis die „Bus-Frau“ uns hektisch zu sich ruft und Richtung Straße rennt. Der Bus fährt nicht etwa ins Terminal ein, wie so manch anderer. Am Straßenrand gibt es den schnellen Zustieg inklusive Abwerfen von Gütern. Denn das haben wir beim Warten auch herausgefunden: Viele der Buslinien dienen als Postkutsche für Pakete von A nach B.

Wir sind kaum drin im Bus, fährt er schon weiter. Auf „unseren“ Plätzen sitzt ein älteres Ehepaar – die Sitzplatzreservierungen sind wohl eher pro forma. Wir setzen uns also auf noch freie vereinzelte Plätze und freuen uns darüber, dass schon kurze Zeit später zwei Plätze nebeneinander frei sind. Mit Hörbuch auf den Ohren kann die Fahrt an den oberen Napo (so wird der Flussabschnitt von Tena bis Coca genannt) nun also entspannt weiter gehen. Die Straße schlängelt sich an den Bergen entlang, im Tal verläuft ein Fluss – immer wieder gibt es Seilrutschen von einer Seite zur anderen. Die Aussicht aus dem Busfenster (rechts sitzen!) ist auf jeden Fall toll. Immer mal wieder verlangsamt der Bus seine Geschwindigkeit, Passagiere springen zu oder ab – oder aber auch Verkäufer, die von gekühlten Getränken, Eis bis hin zu Pommes mit Hähnchen ein vielfältiges Angebot haben.

Angekommen in Tena suchen wir die Polizeistation, denn die ist unser Treffpunkt zur Weiterfahrt zur Liana Lodge. So ganz sicher sind wir uns nicht, ob wir sie gefunden haben, aber da es nichts Vergleichbares gibt, setzen wir einfach darauf und platzieren uns in der Nähe auf einer Bank. Und tatsächlich, wir werden abgeholt. Weiter geht es mit dem Auto. Nach rund 45 Minuten stoppen wir – und steigen um auf ein Boot. Welche Überraschung! Damit hätten wir tatsächlich nicht gerechnet. Zehn Minuten später kommen wir in unserem Dschungeldomizil für die kommenden beiden Nächte an.

Die Liana Lodge liegt wunderschön gelegen am Rio Arajuno. Die Holzhütten auf Stelzen, mit Balkon und Hängematte liegen halb im Regenwald und haben lediglich Fliegengitter. So fühlen wir uns beim Einschlafen der Natur ganz nah – inklusive Dschungelkonzert. Die Frösche quaken sich gegenseitig in Rage, die Grillen zirpen. Am Tag lässt es sich wunderbar in der Hängematte entspannen, ebenfalls mit der Geräuchskulisse des Regenwaldes und mit Blick auf Brüllaffen, die nur wenige Meter weiter von Baum zu Baum springen. Wir werden hier vollverpflegt – die Mahlzeiten sind sehr reichhaltig und sehr lecker. Frittierte Yucca und frisches Obst zum Frühstück, gebackener Fisch am Mittag, abends Geflügel mit Kartoffeln, Reis und Gemüse, dazu jeweils Suppe und Nachtisch – wir können uns nicht beschweren.

Unterhalb der großen Terasse des Restaurants inklusive Feuerstelle gibt es eine Hollywood-Schaukel mit Blick auf den Fluss. Herrlich, beim Sonnenuntergang hier zu sitzen und die Spiegelung der Wolken auf der Wasseroberfläche und vorbei fahrende Kanus zu beobachten. Von der Bar gibt es einen ähnlich tollen Ausblick – inklusive des Gitarrenspiels des Kellners, wenn er gerade nichts zu tun hat. Die Lodge wird übrigens zum großen Teil von den Kichwa organisiert.

Angelika Raimann gründete das Projekt inklusive des Centro de Rescate de Animales AmaZOOnico Selva Viva, eine Auffangstation für beschlagnahmte und verletzte Tiere. Die Deutsche, die in Afrika aufwuchs und 2011 bei einem Unfall tödlich verunglückte, verband so den Tourismus mit der Tierrettung und der lokalen Gemeinschaft. Das Schutzgebiet umfasst heute 1400 Hektar. Wir besuchen die Auffangstation und bekommen von einem der Freiwilligen, die hier arbeiten, die verschiedenen Tiere gezeigt: Affen, Papageien, Tukane, eine Anakonda und ein Tapir gehören dazu. Max hat zu vielen Tieren eine Geschichte parat, erzählt von Zirkustieren und geschmuggelten wilden Tieren, die als Haustiere gehalten werden sollten. Ziel des AmaZOOnico ist es, die Tiere wieder auszuwildern – bei etwa 50 Prozent gelinge dies, berichtet Max.

Mit Guide Adrian machen wir eine rund eineinhalbstündige Wanderung durch den Regenwald. Der Kichwa erzählt uns dabei vieles über Flora und Fauna. Das passiert vor allem auf Spanisch – Adrian bemüht sich, langsam und mit einfachen Worten zu sprechen. Wir sind überrascht, wie viel wir verstehen – und falls uns das mal nicht gelingt, hat Adrian ein paar Worte Englisch und Deutsch parat, um gerade bei Fachbegriffen auszuhelfen.

Wir erfahren auch viel darüber, wie einzelne Pflanzen für medizinische Zwecke eingesetzt werden, probieren etwas, das gegen Diabetes hilft, und bekommen Wurzeln gezeigt, die giftig sind und früher auf Pfeilen verwendet wurden. Adrian zeigt uns verschiedene Termiten-Arten, weist auf Spinnennetze, Höhlen von Riesenregenwürmern und Nischen für Skorpione hin.

Besonders am Anfang der Tour geht es durch tiefen Matsch. Von der Liana Lodge haben wir Gummistiefel erhalten – alles andere erscheint auch zwecklos. Schnell sind wir ins Dickicht eingetaucht, teilweise Knöcheltief im Morast, und bestaunen riesige, grüne Blätter, viele verschiedene Palmen und andere Bäume. Hier und da hängen Lianen. Braune Blätter, die dreimal größer sind als die in Deutschland, bedecken den Boden. Es erinnert von der Vegetation ein wenig an den Wald bei unserem Gorilla-Trekking in Uganda.

Zu sehen bekommen wir einen der größten Bäume im Amazonoas-Gebiet, den Ceibo. Ihre Wurzeln sind große Flächen, die sich auch über der Erde zeigen, und ein vielfaches größer sind als wir selbst.

Wir erreichen schließlich die höchste Erhebung und haben von dort einen Blick auf die benachbarte Insel Anaconda, die wir am Nachmittag besuchen werden. Im Anschluss an die Wanderung gibt es den Stopp im AmaZOOnico und wir besuchen eine (wegen der Ferien leere) Schule, zu der auch Adrian ging.

Am Nachmittag setzen wir mit Adrian und Sabrina, einer Deutschen, die in der Dschungellodge arbeitet, über zur Insel. Dort wohnt nah am Uferrand eine Kichwa-Familie. Auf Stelzen hat sie ihr Haus gebaut – um es vor Überschwemmungen zu schützen. Am nächsten Tag nach einer Nacht mit viel Regen können wir die drohende Gefahr gut nachvollziehen – der Pegelstand des Flusses ist locker einen Meter höher. Die Frau der Familie zeigt uns, wie Chicha zubereitet wird: Eine Süßkartoffel wird gerieben, gekochte Yucca-Wurzel kleingestampft und alles mit Wasser vermengt. Je länger nun das Gemisch steht, umso mehr Alkohol entsteht. Wir dürfen ein zwei Tage angesetztes Gemisch aus einer Kalebasse testen – es ist eher süß. Anschließend probieren wir uns mit dem Blasrohr. Das Rohr ist an die zwei Meter lang. Ein Pfeil wird reingesteckt, gezielt und mit etwas Puste dann der Pfeil über ein paar Meter herauskatapultiert. Unser Ziel verfehlen wir allerdings jedes Mal.

Es setzt starker Regen ein – und wir lernen kennen, dass Regenwaldduschen etwas wirklich Schönes sein können. Es sind an die 30 Grad, eine hohe Luftfeuchtigkeit – der starke Regen ist eine Erfrischung. Wir werden patschnass – und setzen unsere Tour im Plaschregen fort. Nach einem kurzen Spaziergang kommen wir an einen See mit Kaimanen. Neugierig blicken sie aus dem Wasser heraus. Wieder durch ein Stück Dschungel laufen wir zu den Plantagen der Familie. Zwischendurch weist Adrian uns immer wieder auf Pflanzen hin, mit denen beispielsweise Seile gemacht werden oder er kratzt an einem Baum Harz ab, um uns den Klebestoff für Blasrohre zu zeigen.

Als wir von Plantagen hörten, dachten wir an Felder, die voll bewachsen sind mit Kakao-, Kaffee- oder Bananenpflanzen. Doch wir sind im Regenwald und so ist auch das Feld eher eine gerodete Lichtung, auf der die verschiedenen Pflanzen wachsen. Wir wundern uns darüber, dass diese Bananenpflanzen nur einmal Früchte tragen und dann ein Ableger an einer neuen Stelle gesetzt werden muss. Wir hören von weißem Kakao, sehen einen riesigen Avocado-Baum und dass Kürbisse hier an Bäumen wachsen. Adrian lässt uns Blätter probieren und wir können kaum glauben, dass dies Zimt ist.

Es sind zwei tolle Touren durch den Regenwald, bei denen wir sehr viel Neues hören und entdecken. Längst können wir uns nicht alles merken, was ein wenig schade ist, doch es bleibt ein Eindruck, wie vielfältig allein dieses Fleckchen Erde ist. Zurück an der Lodge wird erst einmal das Wasser aus den Gummistiefeln gelassen und dann geht es ab in die Hängematte, den Tag entspannt ausklingen lassen und all das Neue verarbeiten.

Pfälzerin, Redakteurin, Fernweh-Geplagte. Pfadi, Abenteuer-freudig und gerne unterwegs. Als Chefredakteurin bei der VRM und ausgebildete Redakteurin sorgt Jule dafür, dass alle Reiseerlebnisse sich im Blog wiederfinden. Abseits vom Dokumentieren kümmert sich Jule um die Orga und Planung vorab, denn das Reisegefühl startet bereits bei den Vorbereitungen.

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