Ein Tag in Erfurt
Erfurt hat eine Verbindung zu Mainz. Die beiden Landeshauptstädte sind zum einen Partnerstädte. Zum anderen wurde das 741 von Bonifatius gegründete Bistum Erfurt mit dem Bistum Mainz vereinigt – die Mainzer Erzbischöfe traten bald danach als Herren in Erfurt auf, heißt es auf Wikipedia. Also nichts wie hin – zum verlängerten Mädels-Wochenende mit neun Monate altem Nachwuchs.
Anreise am Donnerstag nach dem Arbeiten – recht schnell und vor allem bequem ist man auf der Direktverbindung per ICE in Erfurt. Vom Hauptbahnhof aus sind es nur rund zehn Minuten mit dem Bus zur Unterkunft, die via AirBnB gebucht wurde (sehr zu empfehlen). Ankunftsschnack am Donnerstagabend – am nächsten Morgen erkunden wir nach einem gemütlichen Frühstück die Stadt.
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Wir nähern uns der Altstadt über die Augustinerstraße. Bereits hier fallen die ersten schönen Häuser auf. Vorbei am Geburtshaus des Philologen Georg Wilhelm Rietschl und dem auffälligen Gästehaus Nikolai gehen wir erst einmal ein Stückchen am Fluss entlang und entdecken dabei auch einige Tiere. Über die malerische Comthurgasse erreichen wir schließlich das Evangelische Augustinerkloster.
Das ehemalige Kloster wurde ab 1277 erbaut – und zwischen 2000 und 2003 umfangreich saniert. Wir finden, dass alte Mauern und moderne Architektur sich super ergänzen. In den Chorfenstern der Klosterkirche können wir tatsächlich bei den Ornamenten Ähnlichkeiten zur Lutherrose erkennen. Ein Informationsschild im Eingangsbereich hatte uns darauf hingewiesen – und natürlich haben wir daraufhin danach geschaut. Die Besonderheit ist, dass Martin Luther hier zwischen 1505 und 1511 als Mönch lebte. Das Kloster wurde nach der Reformation 1525 evangelisch.
Unser nächstes Ziel ist die berühmte Krämerbrücke. Übers Dämmchen geht es vorbei an restaurierten Häusern. Zum Fluss hin gibt es schön gestaltete Gärten, meist mit Zugang zum Wasser. Wir entdecken sogar ein toll gemachtes Baumhaus. Schließlich begegnet uns auch das Sandmännchen. In Erfurt sind viele Figuren, bekannt aus Serien, die im Kinderkanal laufen, im Stadtgebiet verteilt: Ob Tigerente oder Pittiplatsch, die Maus und der Elefant, Käpt`n Blaubär oder Kikaninchen – die Figuren laden auf jeden Fall zu Selfies ein.
Direkt am Wasser sind auch die Überreste einer mittelalterlichen Mikwe. Das Ritualbad ist ein wichtiger Bestandteil der jüdischen Gemeinde. Das Bad diente vor allem Frauen zur Reinigung im religiösen Sinn. Von oben können wir durch einen Schacht nach unten schauen – viel zu sehen ist leider nicht und so gehen wir bald weiter zur direkt daneben liegenden Krämerbrücke.
Das 120 Meter lange Bauwerk über die Gera ist die längste durchgehend mit Häusern bebaute Brücke Europas. Zurück geht die Geschichte auf eine 1325 erbaute Steinbrücke, auf der Händler ihre Stände errichteten. Nach einem Brand 1472 wurde die Brücke breiter – 18 Meter, so breit ist sie auch jetzt – und Häuser wurden nach und nach errichtet. 32 sind es heute. Sie beherbergen wunderbare Lädchen. Wir stöbern in einem Kinderladen, lassen uns im „Kardamom“ von den vielen Gewürzen begeistern, entdecken in einem Antiquitätenladen allerlei schönen Trödel, probieren leckere Schokolade und bestaunen einige Eiskombinationen beim Goldhelm Eiskrämer. Im Fachwerkhaus der Deutschen Stiftung Denkmalschutz kann man ein Krämerbrücken-Haus erkunden. Im Keller blickt man aus einem Fenster direkt auf die Gera.
Am östlichen Ende der Brücke steht noch eine Kirche, die auf der anderen Seite wurde zerstört. Rund um den Platz gibt es auch noch einige Läden – einer verkauft viele verschiedene Senfvariationen, die man probieren kann.
Es wird Zeit für einen Kaffee. Wir kehren ein in der „Zucker und Zimt Eismanufaktur“, weil alle anderen Cafés, die wir uns als kinderfreundlich vorgemerkt hatten, leider zu haben. Nach der kurzen Pause laufen wir zum Dom. Auf einem Hügel gelegen, gilt die Kirche als Erfurts bekanntester Bau. 70 Stufen steigt man hinauf zum Mariendom und der daneben liegenden St. Severin-Kirche.
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Im Inneren des Doms sind wir überrascht von den verschiedenen Stilen. An einigen Säulen finden sich gerundete Bilderrahmen mit Malereien – das haben wir so noch nicht gesehen. Eine Skulptur zeigt den „bronzenen Wolfram“, der als Armleuchter fungiert. An einer Seite hängt ein etwa acht Meter hohes Gemälde. Zu den kostbarsten Kunstwerken gehört ein Madonnenbild von Lucas Cranach (dem Älteren).
Tritt man in den 25 Meter hohen Chor ein, beeindrucken die schmalen, schön gestalteten Fenster und das harmonische Gesamtwerk – wirkt es doch so ganz anders als das fast ein wenig durcheinander scheinende Hauptschiff mit den vielen Kunstwerken, Altaren und Orgel.
Im nördlichen Turm hängt übrigens eine sehr bekannte Glocke: Maria Gloriosa. Das 11.450 Kilogramm schwere Geläut aus dem Jahr 1447 ist die größte freischwingende Glocke der Welt.
Wir kommen dann sogar in die Situation, die Sakristei zu besichtigen – eher indirekt. Auf der Suche nach einer Wickelgelegenheit wenden wir uns an einen Mitarbeiter des Infopunktes. Auf der Toilette gibt es leider keine Möglichkeit, doch der nette Mann weiß Rat und schließt uns die Sakristei auf. Zwischen Messwein und Gesangsbuch nun also einmal wickeln – davon wird man wohl noch mehrmals erzählen.
Nicht weit vom Dom entfernt ist die Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße. Der Eintritt kostet gerade einmal zwei Euro. Dafür erhält man bei einer Dauerausstellung zu „Haft – Diktatur – Revolution“ Einblicke in die Zeit zwischen 1949 und 1989. Das Gebäude war über mehrere politische Systeme hinweg eine Haftanstalt: im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, im Dritten Reich, zu DDR-Zeiten. Über 5000 Menschen wurden hier bis zum Ende der DDR aus politischen Gründen inhaftiert.
Die Ausstellungsfläche geht über drei Ebenen, der Keller dient als Projektraum für Aktionen mit Jugendlichen. Auf zwei Stockwerken sind die Haftzellen noch erkennbar – und es ist durchaus bedrückend, wenn Ex-Inhaftierte per Audio-Abspielung ihre Geschichten erzählen. Im ersten Obergeschoss wurden die Haftzellen zu thematischen Räumen umfunktioniert. Comics zeigen im Eingangsbereich, wie das Leben in der DDR war. Es folgen „Abteilungen“ beispielsweise zur Jugend oder zur Kunst in der DDR.
Auf dem dahinter liegenden Berg ist die Zitadelle, die unser nächster Stopp werden soll. Doch leider wird gebaut und der Haupteingang zur größten und angeblich besterhaltenen Festung in Europa ist versperrt. So laufen wir einmal rund um den Berg und finden hinter der Polizeistation ein Treppe hoch zu der 1665 auf Befehl eines kurmainzerischen Erzbischofes erbauten Anwesens.
Von oben gibts einen wunderbaren Panoramablick auf die Stadt. Aufgrund der Bauarbeiten sind auf dem Plateau mehrere Bereiche abgesperrt und so verbringen wir nicht allzu viel Zeit auf dem Petersberg.
Weiter geht unser Spaziergang durch wunderschöne Gässchen, am Kornspeicher vorbei Richtung Venedig. Der Park ist von mehreren Flussläufen durchzogen – hübsch anzuschauen. Wir begegnen dem Brezel-Ritter, kaufen ihm eine Kräuterbrezel ab und kommen ins Palawern mit ihm – oder eher er mit uns?
Vorbei am Waidspeicher laufen wir zum Fischplatz, wo eine Plakette auf die Partnerstädte hinweist. Wir umrunden die Barfüßerruine, die bis zu ihrer Zerstörung nach einem Bombenangriff 1944 zu den schönsten Bettelordenskirchen gehörte. Nach einem Abstecher zum Hirschgarten und dem ein oder anderen Stöbern in den vielen Läden, laufen wir zum Anger, einem zentralen Platz in Erfurt mit einigen Kirchen, schönen Häusern und einem Luther-Denkmal.
15 Kilometer sind wir an diesem Tag durch Erfurt gelaufen – eine schöne Stadt mit tollen Gassen, wunderschönen Häusern und tollen Ensembles. Am Ende des Tages holen wir im Ibras, einem sudanesisch-orientalischen Imbiss, ein paar Leckereien. Da es nur wenige Sitzplätze gibt und die alle besetzt sind, nehmen wir das Essen mit in die Wohnung, die wir für die drei Nächte gebucht haben. So kann der erlebnisreiche Tag in Erfurt ausklingen…
4 Comments
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Bettina
Was kann man sagen? Toller Tag, schöne Architektur und gemütliche Stadt! Danke für die angenehme Fotoreise.
Lukas Zintel-Lumma
Freut uns, wenn du Anregungen gefunden hast!
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