Ecuador: In Guamote bei den Indigena und Inti Sisa
In Guamote sind wir in eine der ärmsten Regionen Ecuadors angekommen – wenn man rein auf den Besitz schaut. Denn nach etwas mehr Einblick in das Leben der Indigena merken wir, dass ihnen Familie und Unabhängigkeit viel wichtiger zu sein scheinen als Eigentum.
Vielleicht ist das auch ihrer Geschichte begründet. Bis zur Landreform in den 1960er Jahren wurden sie auf Haciendas als Leibeigene gehalten, ohne Zugang zu Bildung.
Bildung, das ist der Ansatz von Inti Sisa, wo wir unterkommen. Die belgische Nicht-Regierungsorganisationen hat 1992 gemeinsam mit Jesuiten eine Bildungsoffensive in Guamote gestartet. Mit zwei Motorrädern seien damals Lehrer in die Berge gefahren, erzählt Tom, der seit sechs Jahren in dem ecuadorianischen Bergdorf in den Zentralanden lebt. Mittlerweile können in dem auf 3056 Meter gelegenen Dorf und in der Umgebung viele Bewohner lesen und schreiben. „Mit den Projekten möchten wir ihnen die Grundlage geben, selbst zu entscheiden, wie es weitergeht – um Chancen selbstbestimmt wahrnehmen zu können“, referiert Tom über die Ziele der Organisation. Er führt uns durch die Gebäude im Ort, in denen unter anderem Näh- und Computerkurse angeboten werden und ein Kindergarten beherbergt ist. Das Hotel dient dazu, Einkommen zu generieren und damit die Projekte zu unterstützen – das gefällt uns natürlich sehr. Hinzu kommt: Die Unterkunft ist wirklich sehr schön gestaltet. Es gibt viele Kunstgegenstände zu bestaunen und wir genießen es, am späten Nachmittag vor dem Kamin mit einer heißen Tasse Tee lesend und UNO-spielend auf das Abendessen zu warten.
Am nächsten Morgen fahren wir mit Tom in das Umland. Dort erhalten wir einen Einblick in den Alltag der Indigena – und wir fühlen uns sehr willkommen. „Ich denke, das liegt daran, dass sie auf uns zugekommen sind und gefragt haben, ob wir mit Touristen zu Besuch kommen wollen“, meint Tom. Dieses Grundprinzip der NGO gefällt uns gut: Klar, die Initiative zu Bildungsprojekten geht von ihnen aus – wobei sie beispielsweise auch sehr darauf schauen, dass bei den Computerkursen ältere Schüler sich um die jüngeren kümmern oder eine Indigena die Nähkurse leitet. Bei vielen anderen Inti-Sisa-Projekten – und von denen gibt es mittlerweile viele – hat die Community die Idee dazu.
Laura begrüßt uns in ihrem Haus. Unter ihren Arm hat sie einen Stock mit Wolle eingeklemmt. Während unseres gesamten Besuches spinnt sie. „Eine Nebentätigkeit, die sie auch beim Tiere hüten machen“, erklärt Tom. Aus der Wolle werden Ponchos, Gürtel, Röcke, die Umhänge, die Frauen tragen, und alles für den Eigenbedarf gefertigt. Das Weben ist Männer-Sache – und das sehen wir im Nachbarhaus, bei Lauras Schwiegervater. Er ist eigentlich gerade dabei, in seiner kleinen, bescheidenen Hütte eine Toilette einzubauen – Bett, Küchenzeile, Toilette und Webstuhl auf wenigen Quadratmetern. Für uns unterbricht der über Achtzigjährige seine Bauarbeiten und zeigt uns, wie der aus Holz gebaute Webstuhl funktioniert.
Wir fahren weiter zu einer Schule. Derzeit sind Ferien, sodass kein Betrieb ist. Nur ein paar Kinder spielen auf dem Schulgelände – und da es sich anbietet, wippt Jule mit einem der Jungs. Wir können einen Blick durch die Fenster werfen. Die Räumlichkeiten sind sehr einfach gehalten – immerhin: 40 Kinder werden hier unterrichtet, zusammengefasst in verschiedenen Altersstufen. Ab vier Jahren schon kann es los gehen. Eigentlich gibt es auch eine Schulpflicht, aber das überprüfe keiner, weiß Tom zu berichten. Ein Hinderungsgrund sei, dass gerade ältere Kinder häufig auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen müssten, damit die Eltern arbeiten könnten. Einige Väter würden für ein paar Wochen auch in die Stadt fahren, um dort mehr Geld zu verdienen. Inti Sisa lockt nun in die Schulen mit einer warmen Mahlzeit am Tag. Das Konzept gehe auf, resümiert Tom. Viele Kinder seien nun regelmäßig in der Schule und er beobachte, dass die ausgewogenere Ernährung ihnen gut tue. Zuhause gäbe es oft nur das Gleiche – und damit oft eine Unterversorgung.
Als nächstes besuchen wir eine Familie, die gerade dabei ist, ihr Land zu bearbeiten. Ein paar Bäume wurden gefällt und mit Äxten klein geschlagen. Auch ein paar Bretter wurden aus den gefällten Bäumen gearbeitet, um Möbel zu bauen. Tom erzählt, dass unter den Arbeiterinnen zwei seiner Kolleginnen seien. Sie hätten sich frei genommen, um ihrem Bruder zu helfen.
Ein paar Meter weiter steht das Haus der Großmutter der Familie. Es ist noch auf traditionelle Weise gebaut – mit getrockneten Steinen und einem Grasdach. Wir dürfen eintreten. Auf wenigen Quadtratmetern im Inneren sind Küche und Schlafbereich untergebracht. Das Dach ist von innen sehr russig. „Das kommt vom offenen Feuer“, erklärt Tom. Er erläutert, dass der Rauch dafür sorge, dass das Dach weniger entflammbar sei, zum anderen aber auch Ungeziefer vertreibt. „Und die Bewohner sitzen einfach unterhalb des Rauches.“
Wir erhalten auf dieser rund fünfstündigen Tour jede Menge Einblicke in das Leben der Kwicha. Den Indigenas sind wir sehr dankbar für ihre Offenheit und Gastfreundschaft – ob wir Fremde auch so bei uns zu Hause begrüßen würden? Dank Toms Erläuterungen nehmen wir von diesem Tag sehr viel mit. Und dass auf dem Weg dann auch noch das Auto kaputt geht und trotz Hilfe eines herbeikommenden Kwichas nicht mehr repariert werden kann – das ist eigentlich nur Nebensache.
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