Welt entdecken

Nepal: Kathmandu

Unsere Sightseeingtour am zweiten Tag starten wir am Durbar Square (hier geht es zum Bericht vom ersten Tag). Erik wird uns an diesem Tag begleiten und uns einiges zur Geschichte Nepals, zum Buddhismus und Hinduismus, zu den besuchten Orten und zum Leben in Nepal erzählen. Und das macht der Local Guide richtig gut!

Das Erdbeben von 2015 hat an den Gebäuden rund um den Durbar Square massive Schäden angerichtet. Einige Tempel sind eingehüllt in Bauzäune, weil sie aktuell neu hergerichtet werden. Andere werden von Pfeilern gestützt, Risse sind in den Wänden zu sehen. Doch vieles wurde bereits wieder aufgebaut. Unser Guide weist uns darauf hin, dass man die Unterschiede erkennen kann. Früher wurden die Holzelemente mit feinen Schnitzereien versehen, heute sind sie eher grob.

Kathmandu 2019

Bevor wir in den alten Königspalast reingehen, der dem Platz übrigens seinen Namen gibt (durbar), kommen wir an Sveta Bhairab vorbei. Die drei Meter hohe, grimmig drein blickende Figur ist hinter einem Holzgitter versteckt, nur ein Teil ist zu sehen. Nur einmal im Jahr, zum Fest Indra Jaatra, wird es entfernt. Viele Nepali bringen ihre Gaben zur Figur. Gegenüber steht ein Mönch mit einer Klangschale, er bewegt sich kaum. Direkt neben dem Palasteingang steht eine weitere Figur: Der Affenkönig Hanuman. Er bewacht den Eingang und soll böse Geister festhalten. Die Statue ist teilweise verhüllt, damit der Blick des Hanuman den Menschen nicht schadet. Auch ihm bringen Einheimische Blumen und Kleinigkeiten zu essen. Andere nehmen davon wieder etwas mit und wischen mit ihrem Finger Farbe von der Statue, um sich diese an ihre Stirn zu reiben. Die Szenerie ist spannend zu beobachten.

Wir treten durch ein prächtiges Tor ein in den Königspalast, dessen ältester Teil auf Mitte des 16. Jahrhunderts datiert ist. Die Königsfamilie zog 1886 in einen neuen Palast im nördlichen Teil der Stadt um. Im Laufe des Tages fahren wir auch dort vorbei. 2001 gab es ein Massaker an der Königsfamilie – alle starben, bis auf den Bruder und seine Familie, die anschließend die Macht übernahmen. Allerdings nur für kurze Zeit, denn in der Bevölkerung regte sich Widerstand gegen den neuen König, dem vorgeworfen wird, für das Massaker verantwortlich zu sein.

Werbung


Im Innenhof des Palastes blicken wir auf die verschiedenen Flügel, die alle eine unterschiedliche Prägung haben. Ein Teil ist europäisch beeinflusst und hat sogar Säulen. Ein anderer Part ist weiß gehalten und mit grünen Fensterläden ausgestattet. An anderer Stelle dominiert der Pagoden-Stil mit vielen Schnitzereien. In der Mitte des Hofes steht ein steinerner Podest, auf dem die Könige gekrönt wurden. Heute stehen dort viele Blumen.

Der Palast verfügt über insgesamt zehn Innenhöfe, Besucher können aber nicht in alle rein. Hinzu kommen die Einschränkungen durch die Wiederaufbauarbeiten. Erik führt uns durch einen Teil der Baustelle durch – übrigens unübersehbar unterstützt durch China Aid. Wir kommen an einem weiteren Innenhof heraus, in dem es ein königliches Bad mit einer riesigen Kobra-Säule gibt.

Wir verlassen den Palast und schauen uns einige, teilweise stark vom Erdbeben in Mitleidenschaft gezogene Bauten von außen an. Auch die ersten Kühe sehen wir, die im Hindiusmus heilig sind. Wer eine tötet, muss ins Gefängnis.

Am Kala Bhairab (Schwarzen Bhairab) stoppen wir. Die kugelrunde, etwa dreieinhalb Meter hohe Figur tanzt auf dem Körper eines Dämons. Es heißt, dass jeder stirbt, der vor der Figur lügt. Viele Menschen bringen Opfergaben. Ein Mann steht vor der Statue und nimmt sie entgegen. Aufgrund des Daisan-Festes seien viele Menschen hier unterwegs, erzählt Eric.

Als nächstes gehen wir zum Kumari Chowk. In dem mit schönen Holzschnitzereien verzierten Haus wohnt Raj Kumari, Kathmandus „lebende Göttin“ und wichtigste Vertreterin vieler solcher Göttinnen im Tal. Der Kumari-Kult scheint in der heutigen Zeit veraltet, doch für die Nepalesen ist er Alltag. Sie verehren das Mädchen, das als lebende Inkarnation der Göttin Taleju gesehen wird. Beim Besuch des Kumari Chowk können wir das miterleben: Zahlreiche Nepalesen kommen, teilweise mit Geschenken, betreten das Haus, um das Kind zu treffen. Es ist gerade mal fünf oder sechs Jahre alt und darf nicht selbst laufen, denn es könnte sich ja verletzten. Wenn es blutet, spätestens also mit Beginn der Menstruation, ist das Leben als Göttin vorbei und eine neue Kumari wird ausgewählt. So lange führt das Kind ein klösterliches Leben und darf nur zu einer Handvoll von Festen den Kumari Chowk verlassen.

Die Tradition der Kumari reicht geht zurück auf den letzte Malla-König von Kathmandu, der die Göttin Taleju beleidigt haben soll. Taleju wies ihn an, zur Wiedergutmachung ein jungfräuliches Mädchen auszuwählen, in der sie wohnen könne. Heutzutage werden Hunderte von Mädchen zwischen drei und fünf Jahren befragt. Weisen sie spezielle Eigenschaften auf – zum Beispiel Wimpern wie eine Kuh – kommt sie in der Auswahl weiter.

Kathmandu 2019

Mit den Geschichten zur Kumari im Kopf ziehen wir weiter und passieren die Freak Street, in der in den Sechzigern und Siebzigern die Hippies Station machten. Hier reihte sich ein Marihuana-Laden neben dem nächsten. Nur ein paar Meter weiter ist die New Road, die erste Straße Kathmandus, an der wir eingesammelt werden. Weiter geht es für uns zum Pashupatinath Tempel.

Kathmandu 2019

An Nepals heiligstem hinduistischen Pilgerort finden öffentliche Leichenverbrennungen statt. Im Vorfeld haben wir uns gefragt, wie es wohl sein wird, wenn am Flussufer des Bagmati öffentlich sichtbar auf den sogenannten Ghats die Leichen verbrannt werden, um aus dem Zyklus der Wiedergeburten herauszukommen. Für Hindus ist es die höchste aller religiösen Verdienste hier auf diese Art und Weise „beerdigt“ zu werden. Schwangere und Kinder werden übrigens nicht verbrannt, sondern begraben. Auch das Baden im Wasser gilt als heilig – man glaubt beispielsweise, dass Männer und Frauen, die hier gemeinsam baden, im nächsten Leben wieder miteinander verheiratet werden sein. Und nein: Wir sind natürlich nicht rein gegangen in den Fluss.

Wir bekommen das Ende einer Zeremonie mit: Die Leiche ist komplett verbrannt, die verbliebenen, noch kokelnden Holzreste werden ins Wasser geschoben. Die männlichen Nachkommen des Toten – sie müssen ihre Haare und Augenbrauen abrasieren – nehmen die Aschereste und tragen sie in den Fluss. Der Verbrennungsplatz wird anschließend mit Wasser aus dem Fluss gereinigt und die Trauergemeinde steigt über ein kleines Feuer, wedelt sich den Rauch ins Gesicht.

Werbung


Oberhalb der Brücke über den Fluss liegen die Arya Ghat, die den höheren Kasten vorbehalten sind. Früher wurden hier auch die verstorbenen Mitglieder der königlichen Familie verbrannt. Wir sehen in dem Bereich, wie eine Leiche zur Verbrennung vorbereitet wird. Auf einer Bahre liegend ist sie in ein leuchtend orangenes Tuch eingewickelt. Sterbende werden bereits hierher gebracht und vor dem Haupttempel am Flussufer hingelegt, sodass die Füße im heiligen Wasser liegen.

Einige Priester sitzen im Schatten von kleinen Sonnenschirmen und bieten ihre Dienste an. Wir sehen auch einige Sadhus, heilige Männer in orangenem Gewand, mit Dreadlocks, langen Bärten und einer bemalten Stirn.

Den Tempel Pashupati Mandir dürfen wir als Nicht-Hindus nicht betreten. Wir können aber viele Pilger beobachten, die mit Schalen voller Opfergaben (viele Blumen) die heiligste Stätte der nepalesischen Shiva-Anhänger besuchen. Davor herrscht ein buntes Treiben: Viele Pilger lassen sich vor dem mächtigen Eingangstor fotografieren, andere zünden ein Feuer an entsprechender Gedenkstätte an. Etwas kurios finden wir auch den Mann, der um Blutspenden bittet – neben ihm steht ein entsprechendes Schild mit Hinweis auf das Blutspendezentrum und freien Tee.

Kathmandu 2019

Weiter geht die Fahrt zum nächsten Highlight: Der große weiße Stupa von Bodnath. Wir springen an einer Hauptstraße aus dem Auto – staubig und laut ist es. Als wir durch das Einganstor zum Stupa eintreten empfängt uns Ruhe und eine friedvolle Athmosphäre. Der Stupa gehört zu den weltweit größten und gilt als wichtigster tibetischer Stupa außerhalb von Tibet. Bodnath ist die zentrale Pilgerstätte für alle Exiltibeter in Nepal. Erik zeigt uns Bilder nach dem Erdbeben 2015. Schnell wurden diese Schäden aber wieder beseitigt.

Kathmandu 2019

Rund um den Stupa sind schön anzusehende Häuser gebaut und kreisförmig angeordnet. Wir besuchen zuerst das Kloster direkt am Aufgang zum Stupa. Im Eingangsbereich befindet sich eine riesige Gebetsmühle, die wir einmal umrunden. Dann heißt es Schuhe ausziehen und Eintreten in den Lhakang (eine Art Versammlungssaal), in dem einige Mönche sitzen. Am Rand stehen einige vergoldete Statuen, die Wände sind mit farbenprächtigen Malereien verziert. Vom Balkon des Tamang Gompa hat man einen tollen Blick auf den Stupa und die darum herum liegenden Häuser.

Wir gehen schließlich einmal um den Stupa drum herum und erfahren von Erik mehr über den Buddhismus, dem er auch angehört. Dabei lernen wir viel Neues. So sagt man, dass der Stupa wohl heilige Reliquien des Buddhas enthält. Die Kuppel steht auf Stufensockeln – aus der Luft sieht dies wohl aus wie ein Mandala. In der Mauer rund um den unteren Sockel sind die Gebetsmühlen eingelassen. An der Seite des Schreins, an dem sich auch der Aufgang zum Stupa befindet, ist ein Becken, in dem der Kalkanstrich gemischt wird. Buddhisten bringen als Gabe Farbe mit und schütten sie in das Becken, erzählt uns Erik.

Kathmandu 2019

Hier könnten wir noch lange verweilen: Es ist friedlich, die Musik im Hintergrund und die im Wind flatternden Fahnen sorgen für eine ganz eigene Athmosphäre. Pilger und Mönche, aber auch Besucher umrunden den Stupa (im Buddhismus macht man das dreimal hintereinander), Hunderte von Tauben fliegen auf. Wir gönnen uns eine Kleinigkeit zu Essen im Paradise Restaurant und Café – der Name passt einfach richtig gut!

Bei gebratenem Reis haben wir eine tolle Sicht von oben auf den Stupa und bekommen eine nepalesische Geburtstagsfeier mit. Sehr witzig zu sehen, wie das Geburtstagskind mit einer Art Schaum eingesprüht wird. Es werden gemeinsam Momos gegessen, zum Nachtisch gibt es dann eine große Geburtstagskuchen, von dem wir sogar ein Stück abbekommen. Wir sind auf der Dachterrasse die einzigen Gäste neben der Geburtstagsgesellschaft und die Feiernden beziehen uns einfach ein. Wann hat man schon einmal so eine Möglichkeit… Fun Fakt: Während es für die Erwachsenen Torte gab, wurde für die Kinder zum Nachtisch Pommes bestellt!

Mit diesem kleinen Erlebnis und vielen Eindrücken endet für uns der Sightseeing-Tag in und rund um Kathmandu. Zurück im Hotel können wir den Tag im schönen Garten noch einmal Revue passieren lassen. Morgen geht es nach Patan und Bhaktipur.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/OSCjidZRgKg

Pfälzerin, Redakteurin, Fernweh-Geplagte. Pfadi, Abenteuer-freudig und gerne unterwegs. Als Chefredakteurin bei der VRM und ausgebildete Redakteurin sorgt Jule dafür, dass alle Reiseerlebnisse sich im Blog wiederfinden. Abseits vom Dokumentieren kümmert sich Jule um die Orga und Planung vorab, denn das Reisegefühl startet bereits bei den Vorbereitungen.

5 Comments

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert