E5: Von Vent über Martin-Busch-Hütte und Similaun nach Vernagt
Knapp 21 Kilometer liegen bei dieser Etappe vor uns, dazu 1204 Höhenmeter hoch und 1320 wieder runter. Wir starten also früh in Vent – gut ausgeruht und mit großer Lust, nach Tagestouren vom Bergsteigerdorf aus und der ausgefallenen Vorgänger-Etappe endlich wieder auf dem E5 unterwegs zu sein.
So liegt Vent noch etwas im Dunklen, als wir gut gestärkt vom tollen Frühstück im Hotel Similaun starten. Wir gehen über die Brücke über den Niedertalbach und gehen unterhalb des Ochsenkopfliftes direkt mit gutem Anstieg nach oben. Hier gibt es mehrere Varianten: über schmale Pfade mit etwas mehr Steigung, mit leichterer Steigung in etwas ausgeweiteter Kurve über einen Fahrweg. Wir nehmen letztere und erhalten so noch schöne Ausblicke auf Vent.
Der breite Fahrweg geht nun mit wenig Steigung ins Niedertal rein. Vor uns zeigt sich die beeindruckende Bergwelt rund um den Similaun, durch die wir heute durchwollen. Doch auch der Blick zurück ist klasse, auch wenn die Sonne sich noch nicht zeigt und damit manch einen Berg im Dunklen „stehen lässt“. Teilweise ist es tatsächlich links und rechts vom Weg gefroren.
Wir passieren die Alm Niedertal, an der auch eine kleine Kapelle steht. Kurz dahinter weist ein Schild auf Steinschlaggefahr hin. Der Rother Wanderführer empfiehlt, den neu angelegten Wanderweg zu nehmen. Dazu biegen wir hinter der Alm direkt am Warnschild links ab. Über einen schmalen Pfad geht es nach unten. Schön herbstlich leuchtet hier bereits die Vegetation. Über eine Hängebrücke passieren wir den Niederbach. Es lohnt der Blick nach links in die Schlucht rein, in die sich der Bach gefressen hat.
Auch wenn der Wechsel der Talseite ein paar zusätzliche Höhenmeter und etwa 30 Minuten längere Wanderzeit bedeuten, so können wir ihn durchaus empfehlen. Klar, Sicherheit geht sowieso vor. Aber der schmale Pfad ist auch wunderschön und eine tolle Abwechslung zum breiten Fahrweg.
Während wir auf der anderen Talseite unterwegs sind, überholen uns zwei Wandergruppen, die auf dem breiteren Fahrweg geblieben sind. Sie sind mit Bergführern unterwegs. Was sie verpassen sind eindrucksvolle Blicke auf den Fluss und der direkte Blick auf eine Brücke, die von einem großen Stein zerstört wurde. Sehr eindrücklich wird hier gezeigt, welche Wucht die Steine haben, die von der Bergflanke herunter rollen können.
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Nach der zerstörten Brücke kommt eine weitere, die intakt ist. Von hier aus geht es in Serpentinen über einen schmalen Pfad nach oben, dann landen wir wieder auf dem breiteren Fahrweg. Wir erreichen die unbewirtschaftete Schäferhütte auf 2230 Metern. Links vom Weg entdecken wir Gletscherreste. Wir passieren einen Wasserfall und werden per Schild darauf hingewiesen, dass es hier den letzten Handyempfang gibt.
Die Martin-Busch-Hütte ist bereits in Sichtweite und so erreichen wir sie kurze Zeit später. Auf 2501 Metern kann man hier übernachten oder auch „nur“ pausieren. Übrigens ist die Hütte auch – anders als viele anderen – im Winter offen. Wir stoppen kurz auf der Terrasse und genießen die Sonne. Von der Terrasse aus kann man übrigens Murmeltiere beobachten. Einmal Wasserflaschen auffüllen, einen Müsliriegel essen und weiter geht es.
Wir laufen nun durch das von Gletschern ausgeschürfte Niederhochtal. Zuerst begleitet uns rechts und links vom Weg noch Almwiese. Sogar ein Zelt steht mittendrin. Nach etwa zwanzig Minuten teilt sich der Weg. Rechts entlang geht es über die Ötzi-Fundstelle zur Similaunhütte, geradeaus verläuft der Hauptweg, für den wir uns auf Grund der Länge entscheiden.
Oberhalb des Niederjochbachs schrauben wir uns nach oben durch die Steinwüste. Die Landschaft wechselt – karg und doch faszinierend ist es hier oben. Wir passieren einen Bach über eine Metallbrücke, suchen Platz für unsere Füße auf dem steinigen Weg. Mal suchen wir nach den roten Wegzeichen und klettern über die Steine mehr oder weniger auf Sicht, mal führt uns ein schmaler Pfad nach oben.
Was wir in der kargen Landschaft nicht erwartet haben, ist ein smaragdgrün-schillernder See. Auf einer Höhe von 2800 Metern erreichen wir den Rand des Niederjochferners. Hier wird es nun steiler, man merkt, dass die Luft etwas dünner geworden ist. Langsam arbeiten wir uns vorwärts. Es ist kalt geworden. Der Wind pfeift, sodass wir Mützen und Handschuhe auspacken. Das letzte Stück müssen wir über ein Schneefeld laufen. Die Stöcke helfen an manch schwierigen Passagen über die Schneebedeckten, teilweise glatten Felsen. Unterhalb einer alten Zollstation passieren wir die Grenze nach Italien (ohne besondere Markierung). Hallo Südtirol!
Und dann sind wir schließlich oben: Angekommen auf 3019 Höhenmetern an der Similaunhütte. Es ist der höchste Punkt unserer E5-Tour. Der Wind pfeift kalt am Niederjoch. Doch mit der Sonne und dem blauen Himmel haben wir eine wunderbare Sicht auf den Similaun mit seinen 3606 Metern.
Wir haben Glück und ergattern einen Tisch draußen, der etwas windgeschützt ist. Nicht, das es draußen voll wäre – ganz im Gegenteil. Der kalte Wind treibt alle nach drinnen. Doch wir wollen die direkte Sicht auf diese einzigartige Landschaft. Darauf ein Schlückchen Gipfelschnaps! Wir gönnen uns eine schnelle Mittagspause – es ist einfach zu kalt, um länger zu verweilen, auch wenn Sonne und Ausblick es einem schwer machen, wieder aufzubrechen.
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Hinter der Hütte geht es unterhalb der Materialseilbahn nach unten. Wir lassen es langsam angehen. Der Blick auf das Ortlermassiv ist einfach wunderschön. Dazu sehen wir direkt nach der ersten Kurve unser heutiges Ziel in der Tiefe: Den Vernagt-Stausee. Smaragdgrün schimmert er in der Sonne.
Nach den ersten Felstreppen folgt ein teilweise recht ausgesetzter schmaler Pfad. Manchmal ist der Weg Seilversichert, oft geht es direkt daneben steil nach unten. Es ist also Konzentration gefragt. Mit ein paar spitzen Felsen samt Gipfelkreuzen gibt es aber auch einiges zu bewundern.
Wegen der Steilheit des Weges verlieren wir schnell an Höhe. Nach etwa 30 Minuten wird der Weg wieder etwas leichter und wir steigen in vielen Kehren durch ein steinernes Schuttmeer hinab. Der Blick auf den Vernagt-Stausee gerichtet lassen wir uns beim Abstieg Zeit. Bis es Abend wird, sind es noch Stunden, und so genießen wir den Hochgebirgigen Teil unserer Wanderung.
Wer genau drauf achtet und etwas Glück hat, kann in dieser Umgebung Murmeltiere entdecken. Das „Einfangen per Foto“ ist leider nicht so erfolgreich, doch wir können beobachten, wie eines der Tiere die Umgebung checkt, bevor es unseren Weg quert und auf der anderen Seite in einem Bau verschwindet.
So langsam erreichen wir wieder die Weide-Flächen und passieren Schafe, Ziegen und Kühe. Übrigens werden über diese Strecke Anfang September die Schafe von Österreich zurück nach Südtirol geholt. Tausende Südtiroler Schafe wechseln jeden Sommer die Weideflächen und grasen auf österreichischer Seite. Dahinter steckt eine jahrhundertealte Tradition, die auch immateriellen Kulturerbes der UNESCO ist. Schade, dass wir den als Transhumanz bezeichneten Schafabtrieb knapp verpasst haben. Bilder und Doku-Filme dazu sind sehr beeindruckend.
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Wir müssen ein paar Mal einen Bach queren, an dem wir mehr oder weniger entlang laufen. Ein kurzes Stück wandern wir durch ein kleines Waldstück, in dem man das alte Bewässerungssystem gut erkennen kann. Kurz vor Vernagt begegnen wir vier Männern, die die Wege pflegen. Mit Spitzhacke und Schaufeln räumen sie Entwässerungskanäle frei und katapultieren den ein oder anderen Stein auf die Seite. Ihr Werk haben wir auf den letzten Kilometern immer wieder gesehen. Toll, dass sie diese harte Arbeit machen!
Dann erreichen wir den Tiesenhof auf 1814 Metern. Bei dem alten Südtiroler Bauernhof wollten wir eigentlich eine längere Rast einlegen und etwas verfrüht zum Abendessen einkehren. Im Wanderführer werden Speck, Bergkäse, Vinschgerl und Rotwein angepriesen. Doch leider hat der hübsch anzusehende Bauernhof bereits die Saison beendet. So ein Pech aber auch – wir sind zwei Tage zu spät.
Also gehen wir weiter Richtung Ortskern. Auf der anderen Seite der Staumauer haben wir uns ein Zimmer in einem Bauernhof reserviert. Über eine asphaltierte Straße steigen wir vom Tiesenhof ab ins Dorf. Dabei können wir Bauern beobachten, die am steilen Hang die Heuernte vorbereiten. Oberhalb des Dorfes laufen wir Richtung Staumauer. Dahinter gehen wir über einen schmalen Weg zum Obergamphof. Wir haben unser Ziel für heute erreicht.
Varianten
Wie weiter oben bereits beschrieben, kann man etwa zwanzig Minuten hinter der Martin-Busch-Hütte links hoch zur Ötzi-Fundstelle abbiegen und von dort aus zur Similaunhütte absteigen. Das bedeutet zusätzlich 790 Höhenmeter hoch und 280 Höhenmeter Abstieg laut Rother Wanderführer.
Alternativ kann man den Großteil seines Gepäcks auf der Similaunhütte lassen und von dort aus den Aufstieg zur Ötzi-Fundstelle machen. Der mit Seilen versicherte, teils ausgesetzte Weg ist von der Hütte aus gut ausgeschildert. Kurz unterhalb des Hauslabjochs findet sich die Steinpyramide, die auf die Ötzi-Fundstelle hinweist. Der Aufstieg beträgt 280 Höhenmeter, man braucht laut Wanderführer eine Stunde hoch. Der Abstieg erfolgt über den gleichen Weg.
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