E5: Von Madau über die Memminger Hütte nach Zams
Vom Berggasthof Hermine starten wir im Nebel. Ziel der zweiten E5-Etappe ist Zams – über die Memminger Hütte und die Seescharte. Wir kommen nach einer unruhigen Nacht etwas spät los. Gegen halb neun nehmen wir einen schmalen Pfad durch nasse Wiesen nach unten auf den Fahrweg. Diesen laufen wir durch den Wald bis zur Talstation der Materialseilbahn der Memminger Hütte. Nach ein paar Kehren des Schotterweges landen wir in einer interessanten Landschaft: Links von uns breitet sich der Parseierbach in einem steinigen Bett aus. Zwischenzeitlich werden wir auch vom Shuttle Feuerstein überholt. Das fährt auch am Morgen von Holzgau aus bis zur Materialseilbahn. Wer möchte, kann übrigens für 4 Euro sein Gepäck mit der Materialseilbahn nach oben transportieren lassen.
Nach einer guten Stunden erreichen wir die Talstation auf 1440 Meter, nehmen einen Schluck Wasser und tauchen dann über eine Holzbrücke ein in den Nebel. Bereits in der ersten Stunde war es aufwärts gegangen. Nun nimmt die Steilheit zu und die Schwierigkeit des Weges. Liefen wir zuvor auf Schotterweg, so ist es nun ein schmaler, durch die Feuchtigkeit rutschiger Pfad, den es zu bewältigen gilt. Mal sind die Abstände zwischen den Felsen so klein, dass Lukas Füße kaum Platz finden. Mal sind so große Schritte zu machen, dass Jule auch mal eine helfende Hand braucht.
Um 10.35 Uhr kommt tatsächlich das erste Mal die Sonne raus. Wir sehen sie nur kurz, dann verschwindet sie wieder hinter dem Berg. Aber der Nebel lichtet sich. In der Ferne können wir den ersten Flecken blauen Himmel entdecken und auch die erste Bergwand ist zu erahnen.
Nach und nach setzt sich die Sonne durch. An einer Kehrtwende stoppen wir an zwei Holzbalken und lassen uns kurz nieder für eine Trinkpause und den Biss ins Schinkenbrot, dass zum Frühstück nicht ganz aufgegessen wurde. Die Sonne scheint auf unsere Rücken – das ist auf den schweißnassen T-Shirts sehr angenehm. In der Wiese neben uns glitzern die Tautropfen in den Sonnenstrahlen – wie schön!
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Leider ist die Sonne schnell wieder weg, es wird kalt und wir laufen gleich weiter. Wir kommen schließlich an einen Wasserfall, dessen Lauf wir etwas unterhalb über eine provisorische Brücke auf 1880 Metern queren. Die Brücke ist interessanterweise nur mit ein paar Seilen gesichert. Wir vermuten, dass es zur Schneeschmelze sehr viel mehr Wasser gibt und die Brücke daher so gesichert ist, dass sie etwas Spiel hat, aber nicht mitgerissen wird.
Auf der anderen Seite geht es in Serpentinen wieder etwas steiler nach oben. In der oberen Hälfte wird es anstrengender zu gehen. Der Weg zieht sich. Motivierend ist, dass sich der Nebel mehr und mehr lichtet und wir eine wunderschöne grüne Bergwand vor uns ausmachen, auf die wir immer wieder zulaufen.
Als wir denken, dass wir oben angekommen sind, queren wir erneut den Fluß über eine Brücke und landen an einer Art Wasserwerk. Ein Aussichtspunkt ist angelegt – doch leider ist im nebligen Tal nichts zu erkennen. Stattdessen geht es weiter aufwärts.
Als wir endlich auf Höhe der Memminger Hütte ankommen, begrüßen uns Steinböcke, die links des Weges weiden, stehen, liegen. Was für ein schöner Anblick, dazu die fantastisch aussehende Hochebene des Talkessels.
Leicht ansteigend geht es nun zur Memminger Hütte. Rechts von uns ist der Seekogel, auf den man rein theoretisch auch noch aufsteigen können. Der Aufstieg wird im Wanderführer mit einer halben Stunde angegeben. Angekommen an der Hütte auf 2242 Meter lädt ein großer Trog mit Wasser und zwei Bürsten dazu ein, die Schuhe sauber zu machen. Die haben es auch dringend notwendig. Mit Blick auf unseren nächsten Streckenabschnitt stärken wir uns mit Wurstsalat, Apfelstrudel, alkoholfreiem Bier und Holundersaftschorle. Die Sonne hat sich mittlerweile durchgesetzt, der Ausblick auf die Gipfel des Talkessels mit Seekogel, Oberlahmsspitze, Kleinbergspitze, Schwabenkopf, Seeschartenspitze, Seeschartenkopf und Seekopf ist fantastisch.
Um 13 Uhr nehmen wir den Anstieg zur Seescharte an – früher wäre etwas besser gewesen, doch der Anstieg zur Memminger Hütte hat eben auch Zeit in Anspruch genommen. Die ersten Meter sind richtig schön: Die Gipfel erheben sich vor dem türkis schimmernden Unteren Seewisees.
Wir gehen links am Bergsee vorbei und nehmen den Aufstieg an. Zuerst über ein Gerölfeld, dann am Berg entlang nach oben. Oft ist gar kein Weg zu erkennen, lediglich das nächste Wegzeichen und die Tritte von Vorgehern. Die nutzen wir. Wenigstens etwas, das Halt und Orientierung gibt.
So arbeiten wir uns nach oben. Als wir den nächsten Wegweiser entdecken, haben wir die leise Hoffnung, dass wir nun fast oben sind. Doch von hier zeigt sich der Blick auf den weiteren Weg, den wir als solchen nicht bezeichnen würden.
Das Panorama ist fantastisch: Mittlerer und Oberer Seewisees schillern im schönen Kontrast zu den grauen, felsigen Bergen. Der Blick auf die Memminger Hütte mit dem grün bewachsenen Seekofel ist ebenfalls ein schöner Kontrast. Der Weg dagegen ist alles andere als fantastisch. Wir müssen richtig aufpassen, wo wir hintreten. Die Konzentration ist hoch, um ja keinen falschen Schritt zu machen.
Dann hören wir Steine rollen. Zum Glück nicht auf unserer Bergseite. Es sind Steinböcke auf dem benachbarten Berg, die ihre Kletterkünste demonstrieren. Wirklich stehen bleiben, um sich das Spektaktel anzuschauen, können wir nicht. Wir kraxeln mehr oder weniger bis nach oben durch, auch wenn die Puste manchmal wenig ist.
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Dann stehen wir plötzlich vor einer Art Wand. Kletterfelsen liegen vor uns. Doch hier hoch zu kommen ist zumindest für Jule zu hoch. Also wieder ein Stückchen zurück, eine Kehrtwende nehmen und dann an der Felswand entlang balancieren. Schließlich kommt eine Drahseilsicherung – die haben wir uns bereits herbei gesehnt. Weiter oben sehen wir einen anderen Wanderer, der sich gerade nach unten arbeitet. Wir entdecken eine Stelle, an der wir gut stehen können, der andere aber auch gut an uns vorbei kommen kann. Entsprechend warten wir kurz, bis er bei uns angekommen ist. Ein kurzer Austausch, wer wohin des Weges ist, dann nehmen wir die letzten Meter zur Seescharte in Angriff – kletternd.
Und juhu, wir erreichen die 2600 Höhenmeter. Durch das „Loch“ im Berg durchzugehen, ist weniger anspruchsvoll als die letzte Stunde. Es ist ein großartiges Gefühl, hier oben zu stehen und in beide Richtungen eine fantastische Sicht zu haben.
Wir wollen uns gar nicht vorstellen, wie es hier in der Hochsaison zugeht. Auf Bildern haben wir fast schon Karawanen hier hochziehen sehen. Wir sind sehr froh, dass wir – außer dem belgischen Wanderer – keine andere Begegnung hatten und in unserem Tempo, ohne Stress und viel Gegenverkehr, diesen schwierigen Aufstieg angehen konnten. Gerade für Menschen mit Höhenangst ist das ein herausfordernder Abschnitt.
Der Abstieg auf der anderen Seite hat es in sich, aber immerhin ist etwas vorhanden, was man Weg nennen kann. Die ersten Meter hangeln wir uns am Seil nach unten. Dann folgt ein felsiger Weg. Wir hatten schon befürchtet, dass es ähnlich wie auf der anderen Seite hoch hier runter geht – und das hätte alles andere als Spaß gemacht, da eher rutschig und schlitternd. Auf dem felsigen Weg muss man zwar auch hier und da klettern, aber man kann ihn besser gehen.
Fünfeinhalb Stunden Abstieg warten auf uns – und die werden hart. Zu Beginn arbeiten wir uns auf dem felsigen Weg nach unten. Die Wanderstöcke geben zusätzliche Stütze. An einer Stelle müssen wir uns an einem Seil nach unten arbeiten. Das geht aber recht gut, wenn man rückwärts runter geht und sich mehr oder weniger abseilt.
Wir erreichen einen von Lärchen gesäumten felsigen Pfad. Der Blick ins Tal ist toll, das 360-Bergpanorama ist wirklich sehr, sehr schön. Vor uns können wir die Silberspitze erkennen, ein sehr markanter, hübscher Berg. Er wirkt noch sehr weit weg, aber ihn müssen wir passieren. Dahinter liegt Zams, unser Ziel des Tages.
Ein flaches Stück an einem Fluss entlang bei der Oberlochalm (1799 Meter) ist eine wahre Wolhtat für die Füße. Es geht flach und teilweise über Wiesen. Aber erst einmal müssen wir den Fluß queren. Die Holzbrücke ist leider nicht mehr vorhanden. Die Alm ist hübsch anzusehen. Wir können uns vorstellen, dass man dort auch gut biwaken kann, auch wenn die Alm angeblich Kameraüberacht ist. Vor Ort ist aktuell keiner. Wie wir im Wanderführer nachlesen können, wechselt der Wirt zwischen Oberlochalm und Unterlochalm (1580 Meter).
Diese erreichen wir 45 Minuten später. Unsere Hoffnung, dass es durch Klein-Kanada über Wiesen und vor allem flach weitergeht, zerschießt sich bald. Es wird wieder steiniger, wir queren den Fluß zwei Mal, dann erreichen wir die Unterlochalm. Schafe weiden, ein paar wenige Gäste lassen sich verpflegen.
Der Kilometerstand auf unseren Uhren ist bei 18/19 Kilometer. Laut unserer Tourenplanung vorab soll die Etappe 21 Kilometer lang sein. Wir entdecken einen Wegweiser, der gibt die Strecke nach Zams mit zweieinhalb Stunden an. Das schockt uns ein wenig – weil wir uns zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen können, noch zweieinhalb Stunden zu laufen, weil wir uns fragen, wie diese zwei bis drei Kilometer aussehen, die wir nun noch vor uns haben. Aber es hilft ja nichts, wir müssen weiter. Und weil die voraussichtliche Ankunftszeit mit den Wegweiserangaben nun halb acht ist, gönnen wir uns auch keine Pause, sondern laufen weiter.
Es geht über Weiden und durch einen schönen Wald mit einer Holzbrücke. Das sieht richtig toll aus und der weiche, federnde Holzboden freut unsere Füße. Doch zu früh gefreut. Am Berg entlang quälen wir uns nun nach Zams. Der Weg wirkt hochalpin: schmal und teilweise ausgelassen schlängelt er sich in Serpentinen an der Felswand entlang, rechts geht es steil nach unten. Wir arbeiten uns vorwärts und runter. Unsere Oberschenkel, Knie, Unterschenkel und Füße jammern.
Zuerst sehen wir Landeck, dann auch endlich Zams. Über einen schön angelegten Grillplatz laufen wir gefühlt an Zams vorbei, bis wir endlich unten ankommen. Über einen breit angelegten flachen Weg geht es ein Stück wieder nach rechts zurück Richtung Zams, dann queren wir die Autobahn über eine Brücke und gelangen in ein Neubaugebiet.
Am Ortseingangsschild machen wir ein Angekommen-Selfie, dann queren wir den Fluss und laufen Richtung Kirche, denn dort ist das Postgasthaus. Hier sollen wir den Schlüssel abholen, weil in unserer Unterkunft ab 18.30h keiner mehr da ist. Das Abendessen der Halbpension wird ebenfalls hier serviert. Begrüßt mit einem „Ihr seid spät, zu Essen gibt es nichts mehr“, steigt unsere Laune nicht unbedingt. Nach dem Hinweis, dass es nur noch eine Stunde überhaupt etwas zu Essen gibt, beschließen wir, schnell etwas zu uns zu nehmen und danach in die Pension Haueis zu gehen. Plötzlich ist doch noch das Halbpensions-Essen möglich. Suppe, Schnitzel mit Pommes und Apfelstrudel sind schnell verdrückt und wir nehmen die letzten Meter für den Tag in Angriff: Ab unter die heiße Dusche und dann ins Bett.
Varianten
Aufgrund der Länge der Strecke empfehlen wir, in Holzgau zu übernachten und von dort aus am Morgen mit dem Shuttle Feuerstein bis zur Talstation der Memminger Hütte zu fahren. Auf dem Weg verpasst man wenig, spart stattdessen Zeit und Kraft einer knappen Stunde ein.
Viele übernachten auf der Memminger Hütte und nehmen von dort aus den Aufstieg. zur Seescharte. Das hat den Vorteil, dass man dann ggf. auch noch die Besteigung des Seekogels am Vortag einplanen kann.
Alternativ ist es auch möglich, mit Feuerstein bis zur Abzweigung Alperschontal/Madau zu fahren und von dort in vier bis fünf Stunden über das Flarschjoch zur Anspacher Hütte zu laufen. Von dort aus geht es in zwei Stunden nach Schnann. Von dort fährt ein Bus nach Zams.
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